Der Nutzen überwiegt – Pflegewissenschaftler bitten Pflegende um qualifizierte informierte Entscheidung zur Impfung

Die ersehnte Impfung gegen Covid-19 ist angelaufen. Gleichzeitig gehen Berichte durch die Medien, dass die Zurückhaltung gerade bei den Angehörigen der Gesundheitsberufe und hier insbesondere bei den professionell Pflegenden erheblich sei. Zweifel an der Sicherheit und der Effektivität des Impfens können zu Impfskepsis führen. Insbesondere die vergleichsweise schnelle Entwicklung der Impfstoffe wirft Fragen auf, die auch die Berufsgruppe der Pflegenden beschäftigt. Wurden bei der Entwicklung und Zulassung des Impfstoffes tatsächlich alle erforderlichen Prüfschritte durchlaufen, so dass eine ausreichende Sicherheit und Wirksamkeit gewährleistet sind? Systematische Zahlen zur tatsächlichen Impfbereitschaft Pflegender liegen bisher nicht vor, wohl aber Berichte von Kolleg*innen aus anderen europäischen Ländern, dass auch dort Akzeptanzprobleme unter Pflegenden bestehen.

Vorab: tatsächlich wäre es nicht möglich gewesen, die gesamte Technologie für mRNA-Impfstoffe in der Kürze der Zeit neu zu entwickeln und zu erproben. Zur schnellen Entwicklung von Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 haben aber verschiedene Aspekte beigetragen. Zum einen konnten Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung der letzten 15 Jahre zum Einsatz von mRNA für die spezifische Entwicklung der Impfstoffe gegen Covid-19 genutzt werden. Des Weiteren ist der Zeitraum für die Entwicklung eines neuen Impfstoffes an die Verfügbarkeit von Studienteilnehmer/innen gebunden sowie von der Häufigkeit des Auftretens einer Erkrankung abhängig. In der BioNTech/ Pfizer-Studie fanden sich beispielsweise innerhalb von dreieinhalb Monaten 43.500 freiwillige Studienteilnehmer*innen, die bereit waren, sich impfen zu lassen. Die hohen allgemeinen Infektionsraten führten dann dazu, dass in der Gruppe der Studienteilnehmer*innen bereits nach vier Monaten ein guter Vergleich zwischen der Gruppe, die den Impfstoff und der Gruppe, die ein Placebo erhalten hatte, gezogen werden konnte (IQWiG 2021). Im Vergleich dazu wurden bei dem Impfstoff gegen Gürtelrose, der 2018 in Europa zugelassen wurde, zwölf Monate benötigt, um ca. 14.000 freiwillige Studienteilnehmer/innen zu gewinnen und weitere fünf Jahre bis ausreichend Studienteilnehmer/innen mit einer Erkrankung eingeschlossen werden konnten (Steinkamp 2021).

Zudem wurden Studienphasen in Teilen parallel, statt nacheinander durchgeführt, die
Zulassungsbehörden auch über Zwischenergebnisse informiert, die ihrerseits der Kontrolle der Impfstoffstudien zu Covid-19 erste Priorität einräumten und die Produktion des Impfstoffs schon vor der Zulassung hochgefahren (Ball 2021). Das Ineinandergreifen all dieser Mechanismen ermöglichte schließlich die Entwicklung und Zur-Verfügung-Stellung von Impfstoffen in einem erstaunlich kurzen Zeitraum.

Derzeit sind Impfstoffe mit zwei Wirkmechanismen zugelassen oder stehen kurz vor der
Zulassung: mRNA-basierte Impfstoffe (BioNTech/Pfizer und Moderna) und ein Impfstoff, der mit einem Trägerstoff arbeitet, der Oxford Impfstoff (AstraZeneca).

Bei den mRNA (mRNA = Messenger-Ribonukleinsäure) Impfstoffen wird mit dem Impfstoff eine modifizierte mRNA, die den Bauplan für ein spezifisches Protein des Corona-Virus enthält, dem menschlichen Körper zugeführt, der darauf reagiert und zwar erstens mit der Bildung von viralem Protein und zweitens mit einer Immunantwort auf dieses virale Protein. Bei erneutem Kontakt mit Sars-Cov-2 Viren werden diese dann mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die im Körper aufgebaute Immunantwort abgewehrt. Im Vergleich dazu bedient sich der Impfwirkstoff von AstraZeneca eines Adenovirus als Botenstoff, um im Körper die Immunreaktion anzustoßen. Dem Adenovirus wird zuvor durch die Entfernung von Genabschnitten die Möglichkeit entzogen sich im Körper zu vermehren (Deutsches Ärzteblatt 2020b).

Die groß angelegten Studien weisen auf eine hohe Wirksamkeit hin. Dies gilt für beide
Impfstoffgruppen. Besonders hoch ist die prozentuale Verringerung des Risikos an Covid-19 zu erkranken bei den mRNA-Impfstoffen. Hier liegt die Risikoreduktion bei über 94%. Doch auch der Impfstoff von AstraZeneca zeigt in den Studien eine sehr gute Wirkung mit einer Effektivität von über 70% (Knoll und Wonodi 2021; Deutsches Ärzteblatt 2020a).

Wenn also alles darauf hinweist, dass die Effektivität hoch zu sein scheint, wie sieht es nun mit der Sicherheit aus?

Es ist unbestritten, dass mit den beiden mRNA-Impfstoffen ein Verfahren eingesetzt wird, das bisher noch nicht klinisch im Einsatz ist. Allerdings wurde ein auf diesem Verfahren basierender Impfstoff in den Prüfstudien bereits ca. 37.000 Studienteilnehmer*innen verabreicht (ca. 22.000 Studienteilnehmer*Innen in der BioNTech/Pfizer-Studie und ca. 15.000 Studienteilnehmer*innen der Moderna-Studie), ohne dass es zu schwerwiegenden Nebenwirkungen gekommen ist. Dies bestätigen nicht nur die Studienleiter*innen selbst, sondern – wichtiger noch – unabhängige Prüfinstitutionen.

Es bleibt als kritischer Aspekt die relativ kurze Nachbeobachtungszeit im Anschluss an die
Impfung. Allerdings zeigen sich durch eine Impfung ausgelöste Folgen in der Regel in den ersten 4-6 Wochen. Da die Zulassung eines Impfstoffes in Europa einen Nachbeobachtungszeitraum von 6 Wochen voraussetzt, ist dieser Zeitraum abgedeckt. Um – bei einer millionenfachen Anwendung – nicht auszuschließende seltene unerwünschte Wirkungen schnell zu erkennen, müssen zudem in Europa die herstellenden Pharmafirmen ein Jahr lang monatlich über Wirksamkeit und Sicherheit Bericht erstatten.

Bedenken, dass die mRNA-Impfstoffe das menschliche Genom, also das Erbgut verändern kann, wird von den Kontrollinstanzen, Zulassungsbehörden und wissenschaftlichen Expert*innen für unbegründet eingeschätzt, da die mRNA des Impfstoffs weder in der Lage ist, in den Zellkern zu gelangen, noch sich dort in DNA umzuwandeln.

Fragen, die offen bleiben, betreffen die Verhinderung einer asymptomatischen Infektion oder die Dauer des Impfschutz (Arznei-Telegramm 2020).

Weniger eine Frage der Sicherheit als ein Ausdruck der gewollten Impfantwort des Körpers sind unmittelbare kurzfristige Impfreaktionen wie Fieber und Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Muskel- oder Gelenkschmerzen, Übelkeit oder Erbrechen (IQWiG 2021).

Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand sind die Nebenwirkungen der COVID-19-Impfung
verglichen mit dem Fortbestehen der Pandemie – denn das wäre die Alternative – recht gering. Bis zum heutigen Tag (Stand 10.01.2021) meldet das Robert-Koch-Institut 40.343 an und mit COVID-19 verstorbene Personen allein in Deutschland (RKI 2021). Die an COVID-19 schwer erkrankten Personen überschreiten diese Zahl noch bei weitem.

Professionell Pflegende sind angetreten, Gesundheit zu fördern und Krankheit zu verhüten und sich dabei auf die bestverfügbare Wissensbasis zu stützen. Dies ist die Maxime ihres Handelns. Unter den Bedingungen der Corona-Pandemie bedeutet dies, sowohl auf die Gesundheit der Menschen mit Pflegebedarf als auch auf die eigene Gesundheit zu achten. Laut WHO sind ca. 10% der Covid-19 Fälle Angehörige des Gesundheitspersonals. Nach dem aktuellen Kenntnisstand ist das Risiko einer Covid-19-Impfung ungleich geringer als das Risiko durch eine Infektion sich selbst, die Kolleg*innen und die Menschen mit Pflegebedarf zu gefährden.

Zusammenfassend spricht unter Abwägung des Nutzens und des potentiellen Risikos der Covid19-Impfung für professionell Pflegende viel dafür sich impfen zu lassen. Aber machen Sie sich selbst ein Bild auf der Basis qualitätsgesicherter Informationen!

Vor allem in den sozialen Medien kursieren viele Falschinformationen zur Impfung. Bitte
informieren Sie sich bei seriösen Quellen über überprüfbare Fakten.
Zum Beispiel
https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/gesamt.htm
https://www.pei.de/DE/newsroom/dossier/coronavirus/coronavirus-node.html
https://www.gesundheitsinformation.de/suche/#searchQuery=query=corona

 

Quelle: https://idw-online.de/de/news761154